Langsam geht die Brut der Sperlingskäuze dem hoffentlich glücklichen Ende entgegen, sodass für mich die Zeit gekommen ist, meine Erlebnisse ohne den Druck meiner Foto- und Orni-Kollegen, doch die Brutstelle zu verraten, zu veröffentlichen. Ich wollte Zustände vermeiden, wie ich sie im Januar bei den Sumpfohreulen in Cuxhaven oder jüngst bei den Bienenfressern in Sachsen-Anhalt oder in Baden-Württemberg beschrieben bekommen oder selbst erlebt habe. Die Spauze sollten in Ruhe ihre Brut groß ziehen können, das war mein oberstes Ziel.

Nun aber zu meinen Erlebnissen mit dieser faszinierenden kleinen Eule:

Auf meinen Spaziergängen mit der Kamera durch meine Heimat, verschlug es mich in einen großen Wald. Ich wollte Fichtenkreuzschnäbel fotografieren, die ich einige Tage zuvor dabei beobachten konnte, wie sie von einer moosbewachsenen Eiche Nistmaterial aufpickten und davon flogen. Dieses, dachte ich mir, könnte ein schönes Motiv ergeben. Ich begab mich also früh morgens in den großen Wald und hatte noch einen strammen Marsch vor mir, als ich ein zyklisches Pfeifen vernahm, was sich nach dem Ruf eines Sperlingskauz anhörte. Ich beschloss der Richtung des Pfeifens zu folgen und war froh, dass ein nicht gesperrter Weg in die Richtung führte. Das Pfeifen wurde lauter und ich blieb stehen, nahm mein Fernglas und bemerkte in der Spitze einer Fichte tatsächlich ein Sperlingskauz-Männchen, welches voller Inbrunst balzte. Das Stativ mit dem 600er Teleobjektiv und Konverter, aufgestellt, machte ich sogleich ein Beweisfoto und setzte, nachdem der Kauz davon flog, meinen Weg hocherfreut fort. Ich hatte einen Sperlingskauz gesehen. An diesem Tag sollte dieses Beweisfoto mein einziges Bild bleiben, denn von Kreuzschnäbeln, war keine Spur zu sehen.

Nur einen Tag später versuchte ich erneut mein Glück an der Stelle, an der ich den Kauz beobachtet hatte. Leider hörte ich ihn dieses mal nicht rufen. Es war ein schöner Tag Ende März und ich setzte mich auf einen Baumstumpf am Wegesrand. Die Märzensonne wärmte schon etwas und ich genoss die Stille im Wald, als ich ein leises Viepen vernahm. Jedoch folgte dem Viepen aus einiger Entfernung das bekannte zyklische Pfeifen des Sperlingskauzes. Schnell hatte ich nun den Kauz ausgemacht und, welch Glück,  sie saß nur einige Meter von mir entfernt und hatte mich die ganze Zeit beobachtet.

Kurze Zeit später flog sie davon, flach in einer Parabel über den Boden und hoch auf eine alte Fichte zu, in der in ca. 6m Höhe ein Buntspechtloch war. Hurra, ich hatte ein Kauzpaar gefunden, samt Nisthöhle. Für mich ein Hauptgewinn und es sollte ein ganz besonderes Naturerlebnis werden.

Ich beschloss den Platz geheim zu halten, und nur dem Landesverband Eulenschutz, dessen Mitglied ich bin, davon zu erzählen.

Von nun an zog es mich fast täglich zu meinen Sperlingskäuzen. Meist war ich kurz nach Sonnenaufgang bei ihnen, manchmal auch gegen Abend.

Die Hauptaktivitätszeit der Käuze während der Balzzeit, in der das Licht noch gut zum Fotografieren war, war allerdings der frühe Morgen. Wenn ich morgens kam, saßen sie meistens in einer noch kahlen Lerche, dabei hielten sie immer Abstand zueinander und saßen nur selten auf dem gleichen Ast, aber dennoch nicht weit voneinander entfernt. Sie inspizierten dabei ganz aufmerksam die Gegend und drehen manchmal dabei den Kopf um mehr als 180°, dabei hatten sie immer mal ein Auge auf mich gerichtet, obwohl ich ihnen offensichtlich nicht sonderlich interessant erschien.

Dann flog das Männchen los, um Nahrung zu besorgen. Er war ein guter Jäger und schleppte an den folgenden Tagen meistens Singvögel an. Tannenmeise, mehrere Rotkehlchen, Zilpzalp und auch ein Erlenzeisig, standen auf dem Speiseplan. Dabei blieb er bis zu 2 Stunden weg, kam aber immer erfolgreich zurück. Nur einmal schleppte er im ersten Monat eine Waldspitzmaus an und einen Lurch oder er holte zuvor deponierte Vögel aus dem Unterholz einer Fichtenschonung, um sie dem Weibchen zu präsentieren. Die Vögel wurden dann in einer Lärche – oft auf dem gleichen Ast gerupft und häppchenweise verspeist. Dann wurde kopuliert und sich gestreckt und gereckt, etwas auf dem Ast verweilt und wieder abgeflogen zur Jagd.

Mitte April war es dann soweit. Das Weibchen verschwand immer öfter in der Höhle, blieb bis zu zwei Stunden darin, um zurück in die Lärche zu fliegen. In dieser Zeit wurden die Eier gelegt, die, nachdem das letzte Ei gelegt war, bebrütet wurden. Kurze Zeit später erschien dann das Männchen wieder, brachte wieder einen Vogel oder eine Maus, dann wurde kopuliert und so vergingen die Tage, bis zu dem Tag an dem man das Weibchen nicht mehr sah und es mit der Brut begonnen hatte.

Regelmäßig erschien sie noch am Ausflugloch und schmiss Federreste ihrer Beute hinaus. Unverdauliches wurde aber stets weit entfernt von der Höhle gebracht, um die Höhle den Prädatoren nicht zu verraten.

Nur wenn das Männchen mit Beute zurück kam, in der Lärche wartete und sich durch seinen leisen, aber markanten Peifton zurück meldete, antwortete sie mit viepsiger Stimme und kam kurz aus ihrer Höhle geflogen, übernahm die Beute und flog in selbige zurück. Dann hatte das Männchen einen Augenblick Zeit, um in einer nahegelegenen Pfütze zu baden und etwas zu verweilen. Sichtlich Spaß hatte er daran, einfach nur mit den Beinchen in der Pfütze zu stehen und die Gegend zu beobachten. Während dieser Zeit sah ich ihn jedoch nur selten, denn er war ständig auf der Jagd und so manche Tage verbrachte ich Stunde um Stunde, ohne ihn zu Gesicht zu bekommen.

Die Tage vergingen, im Wald wimmelte es vor Feinden meiner Sperlingskauzfamilie. Der Habicht und der Sperber kreisten immer mal wieder über dem Wald, jedoch war das Männchen, während sie brütete stets aufmerksam, saß meistens im dichten Teil der Lärche und oft nahe am Stamm, wo er schwer zu schlagen war, oder man hörte ihn nur leise aus dem Dickicht einiger Fichten rufen. Auch ein Baummarder streifte regelmäßig durchs Revier. Zwar war er zu groß für die Nisthöhle, aber mit seinen langen Beinen und spitzen Krallen konnte er gefährlich tief in die Höhle hineingreifen.